Discussion:
Was bremst schneller??
(zu alt für eine Antwort)
Volker Bartheld
2004-01-14 14:21:14 UTC
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Hi!
Was bremst besser: Ein leichtes oder ein schweres Motorrad.
Die Haftreibungskraft Fh definiert sich als Fh=u*Fn, wobei u der
(Haft-/oder Rollreibungskoeffizient) und Fn die Normalkraft des
haftenden oder rollenden Gegenstandes (Fn=m*g, m Masse, g
Fallbeschleunigung, ca. 9.81 m/s^2) ist und haengt - wie aus der Formel
ersichtlich, in erster Naeherung nicht von
- der Geschwindigkeit oder
- der haftenden/rollenden Flaeche (d.h. deren Groesse) ab.

Fuer die an einem einen abgebremsten Gegenstand wirkende Kraft gilt
ebenfalls:

Fb=m*a,

wobei a die Verzoegerung angibt.

Aus dem Kraefteggleichgebwicht Fb=Fh => m*a = u*m*g => a = u*g
folgt nun, dass die maximale Verzoegerung a hoechstens u*g ist bevor der
Gegenstand ins Rutschen geraet. I.d.R. ist der Gleitreibungskoeffizient
u_g aber *geringer* als der Haft-/Rollreibungskoeffizient - wer rutsch
bremst also suboptimal.

Eine "gute" Bremsanlage kann jederzeit und aus jeder Geschwindigkeit
diese Verzoegerung a aufbringen.

Daraus und aus

v=a*t; |d/dt
s=1/2*a*t^2 => s=1/2*v^2/a

folgt weiterhin, dass bei konstanten a und vorgegebenem v
(Anfangsgeschwindigkeit) die "Bremszeit" t sowie der Bremsweg s nur mit
der Bremsverzoegerung a zusammenhaengen.

Fazit: Unterschiedlich schwere Motorraeder bremsen gleich "gut", wenn
die Bremsanlage ausreichend dimensioniert ist. Anders sieht die Sache
aus, wenn u eine Funktion von m,v also u(m,v) oder ein Roller mit
ultrawindigen Stoppern versehen ist.

Die zu u=u(m,v) gehoerigen Differentialgleichungen moege ein
Mathematiker loesen und uns das Ergebnis zuteil werden lassen. In der
obigen Rechnung kann mir natuerlich ebenfalls ein Fehler unterlaufen
sein, ich bitte dann um Korrektur.
Wollt's theoretisieren oder habt ihr ein *praktisches* Beispiel?
Letzteres. ;-)
Also jetzt probieren wir es sicher nicht aus. ABer es ist so: Ich habe ein
leichtes Eisen (Mito) und mei Hawara hat ein eine schwere Maschiene (1000er
CBR). Und ich bremse den jedesmal aus. Ganz locker. Und jetzt sagt er
dauernd, dass ich ja ein leichters Bike hab und deswegen besser bremsen
kann.
Unsinn, IMHO. Dein Hawara hat einfach die Hosen voll.
Und ich sag, dass das ein Blödsinn ist, weil er ja breitere Reifen und
Spielt in erster Naeherung keine Rolle.
mehr ANpressdruck auf die Strasse hat, und er kanns halt einfach nicht.
Korrekt.


HTH,

Volker

X-Post: de.rec.motorrad
Michael Dunin v. Przychowski
2004-01-14 15:56:15 UTC
Permalink
Post by Volker Bartheld
Die Haftreibungskraft Fh definiert sich als Fh=u*Fn, wobei u der
Die Festkörperreibung nach Coulomb, d.h. das stimmt wenn Du auf der
Felge fährst, aber nicht wenn das ein Reifen drauf sitzt.
Post by Volker Bartheld
ersichtlich, in erster Naeherung nicht von
- der Geschwindigkeit oder
- der haftenden/rollenden Flaeche (d.h. deren Groesse) ab.
Wie ich bereits mal in
http://www.taunus-biker.de/~mdvp/Reifen/Reifen.html dargelegt habe, ist
Gummireibung hauptsächlich Adhäsionsreibung und skaliert damit direkt
mit der Fläche und nicht mit der Normalkraft. Nur dadurch, daß auf rauem
Asphalt die Kontakttiefe mit der Flächenpressung zunimmt und damit auch
die Kontaktfläche ist das Normalkraft-Verhalten ähnlich der
Festkörperreibung. Bei hohen Andruckkräften setzt dann Druckverhärtung
des Gummis ein, so daß das Verhalten stark nichtlinear wird. Aber bei
den üblichen Moppedgewichten kommen wir in diesen Bereich nicht rein.

[Rechnung schnippt]
Post by Volker Bartheld
Fazit: Unterschiedlich schwere Motorraeder bremsen gleich "gut", wenn
die Bremsanlage ausreichend dimensioniert ist.
Auf griffigem, trockenen Asphalt erreichen selbst Tourenschlappen
Reibwerte von rund 1,2. Bei üblichen Moppeds mit Radständen an die 1,5m
und Schwerpunkthöhen von 700-800 mm passiert der Stoppie-Überschlag
allerdings in der Gegend von 1g, also lange bevor der Reifen blockiert.
Daher wird die Mopped/Fahrer-Kombination mit dem niedrigeren Schwerpunkt
die höhere Maximalverzögerung erreichen können. D.h. bei gleichen
Moppeds der leichtere Fahrer und bei gleichen Fahrern das schwerere
Mopped (der mit der niedrigeren Sitzposition).

Für den Bremsweg ist es aber auch entscheidend, wie schnell die
Maximalverzögerung erreicht wird, und da gilt: Je niedriger der
Schwerpunkt, desto stärker muß anfangs hinten mitgebremst werden.
Bremst man nur vorne, dann erreicht das Mopped mit höherem Schwerpunkt
früher seine niedrigere Maximalverzögerung und macht anfangs Boden gut.

Michael
--
http://www.MDvP.de ----- RRR#85 ----- TSB#22 ----- EoA -----
Aprilia RSV Mille: klein, stark, schwarz
Duc 750SSN: rot&tot, 780ccm, h.c, Sil, K&N, Keihin FCR39, 117dB
DR 350 SHC: rost&cross, 385ccm, h.c., K&N, Dell'orto PHF36
Ralf K. Buschner
2004-01-14 20:01:34 UTC
Permalink
Post by Michael Dunin v. Przychowski
Auf griffigem, trockenen Asphalt erreichen selbst Tourenschlappen
Reibwerte von rund 1,2. Bei üblichen Moppeds mit Radständen an die 1,5m
und Schwerpunkthöhen von 700-800 mm passiert der Stoppie-Überschlag
allerdings in der Gegend von 1g, also lange bevor der Reifen blockiert.
Ich lese daraus also ganz unbedarft, daß mein lahmer Krapfen auf trockener
Straße mich eher über den Lenker wirft, als daß ich wg. blockierenden
Vorderrades einen Ableger mit geringem Showeffekt erlebe - und reime mir
weiterhin zusammen, daß das aber nur dann gilt, wenn ich die Vorderbremse
nicht schlagartig anknalle bis zum geht nicht mehr. Richtig?

cu, Ralf
--
CB 500S Espresso: Klein, schwarz und - naja, stark?  - 12Mm
Mike t.B.
2004-01-14 20:13:54 UTC
Permalink
Post by Volker Bartheld
Hi!
Auch Hi!

<schnipp viel>
Post by Volker Bartheld
Fazit: Unterschiedlich schwere Motorraeder bremsen gleich "gut", wenn
die Bremsanlage ausreichend dimensioniert ist. Anders sieht die Sache
aus, wenn u eine Funktion von m,v also u(m,v) oder ein Roller mit
ultrawindigen Stoppern versehen ist.
Jo.

Also aber der Alfred Hell zum Beispiel verweist jetzt auf
www.fz-technik.de/MZA/Fahrdynamik/Skript/FahrdynSkript.pdf
und meint, daß das leichte Bike schneller steht. Schön langsam kenn ich
mich garnicht mehr aus. Ausserdem verstehe ich das nicht so wirklich, was da
auf dieser Webseite steht. Nur manches. Alles klingt irgendwie logisch, und
ich hab schon Zillionen Formeln gelesen, aber es kann irgendwie alles
stimmen. Alle die ich bisher gefragt habe, sind sich einer Meinung. Nämlich
daß sie sich nicht einer Meinung sind.

Das kann ja wohl nicht sein!!

MTB
Volker Bartheld
2004-01-14 21:35:49 UTC
Permalink
Hi!
[...] meint, daß das leichte Bike schneller steht. Schön langsam kenn ich
mich garnicht mehr aus.
Well, wenn Du es schaffen kannst, Dich nicht vorwaerts zu ueberschlagen
und es keinen Unterschied in den Reibungskoeffizienten der verwendeten
Reifenmischungen gibt, dann werden sich leichtes und schweres Mopped
nicht viel geben.

De facto ist es aber wohl so, wie Michael sagt: Letztlich entscheidet
nicht die Bremse selbst (angenommen sie ist nicht wirklich obermies)
sondern die Geometrie (lies Massenschwerpunkt) des Ensembles. Und da hat
eine hochbeinige Enduro mit feistem Piloten naturgemaess schlechtere
Karten als eine flunderflache Rennsemmel mit einer halben Portion
obendrauf.

That's life.
Das kann ja wohl nicht sein!!
MTB
Nein, wirklich nicht (das jemand hier mit M_ounT_ainB_ike
unterschreibt). SCNR.


Volker
Christof Klaiber
2004-01-14 21:47:19 UTC
Permalink
Post by Volker Bartheld
Hi!
[...] meint, daß das leichte Bike schneller steht. Schön langsam kenn ich
mich garnicht mehr aus.
Well, wenn Du es schaffen kannst, Dich nicht vorwaerts zu ueberschlagen
und es keinen Unterschied in den Reibungskoeffizienten der verwendeten
Reifenmischungen gibt, dann werden sich leichtes und schweres Mopped
nicht viel geben.
Ich habe mich vor kurzem zu dem Thema schlau gemacht, weil ich wissen
wollte, wie sich der Bremsweg von Motorrad zu Auto verhält und bin über die
Aussage gestolpert, daß bei modernen Motorradbremsen die
Reifenaufstandsfläche, bzw. die über diese Fläche abführbare Wärme der
Leistung der Bremsen Grenzen setzen. (Vor allem in Hinsicht auf die
gegenüber Autos deutlich kleinere Aufstandsfläche.) Deshalb seien Motorräder
Autos beim Bremsen prinzipiell unterlegen. Dies würde schon dafür sprechen,
daß man mit dem leichten Motorrad schneller steht, als mit dem großen, wenn
sich die Reifengröße nicht allzusehr voneinander unterscheiden.

Meinungen dazu?

In dem geschilderte Falle denke ich aber vor allem, daß die maximale
Verzögerung bei einem leichte Motorrad schneller, einfacher und präziser
erreicht wird, als bei einem schwereren.

Grüße,
Christof
Dirk G. Straka
2004-01-15 18:33:49 UTC
Permalink
Hi Volker,

thus spoke Volker Bartheld:
[...Massenschwerpunkt]
Und da hat eine hochbeinige Enduro mit feistem Piloten
naturgemaess schlechtere Karten als eine flunderflache
Rennsemmel mit einer halben Portion obendrauf.
Naja, diese Aussage ist IMHO auch mit Vorsicht zu geniessen.
Denn flunderflache Rennsemmeln haben i. d. R. ein ziemlich
hohes Heck und recht viel Gewicht auf dem Vorderrad. Das macht
sie alles in allem heftig kopflastig und lässt sie beim BREMSEN
ziemlich schnell hinten hoch gehen. IMHO ist der Überschlag mit
sowas also wesentlich leichter zu bewerkstelligen als mit einer
Enduro. Zumal letztere meist deutlich weniger giftige und somit
wesentlich leichter zu dosierende (weil "gekappte") Bremsen
haben.

IOW: Mit der niedrigen Rennsemmel dürfte es zwar grundsätzlich
möglich sein, besser und schneller zu bremsen, aber mit einer
hochbeinigen Enduro, die über adäquate Bremsen verfügt, ist es
vermutlich um einiges einfacher.

Greets, Dirk
Volker Bartheld
2004-01-15 20:14:28 UTC
Permalink
Hi Dirk!

On Thu, 15 Jan 2004 19:33:49 +0100, Dirk G. Straka
Post by Dirk G. Straka
IOW: Mit der niedrigen Rennsemmel dürfte es zwar grundsätzlich
möglich sein, besser und schneller zu bremsen, aber mit einer
hochbeinigen Enduro, die über adäquate Bremsen verfügt, ist es
vermutlich um einiges einfacher.
Eh klar. Es ging aber um das, was von einem perfekten Piloten und eine
perfekten Bremsanlage mit perfektem Fahrwerk machbar ist. Und da ist
eben schwer und hoch schlechter als leicht und niedrig. ;-)

V.

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