Discussion:
Mofarennen Speinshart - Ein Drama in 2 Akten
(zu alt für eine Antwort)
Andi Schmitt
2006-08-22 07:13:50 UTC
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Hi,

eine Geschichte, wie man 5 Tage auf einem Mofarennen verbringen kann.
http://www.mofarennen-speinshart.de


Ouvertüre

Mittwochabend, das Telefon klingelt, dran ist unser schnellster Fahrer:
"Hallo, hier Hiob! Ich bin heute operiert worden, falle fürs Rennen aus.
Schicke euch nen Ersatzfahrer, guter Crosser, hält was aus."
Super, wenn die schlechten Nachrichten schon 3 Tage vor dem Rennen anfangen.
Donnerstag, das Telefon klingelt, der Ersatzfahrer ist dran: "Hallo,
mein Auto springt nicht an und bei der Duc gehen die Bremsen nicht. Kann
ich irgendwie bei dir mitfahren?" Theoretisch schon, praktisch bin ich
mit dem vollbeladenen Unimog aber schon zu weit von München weg, um
nochmal umzukehren.
Irgendwie schaffewn wir es aber, am späten Nachmittag alle gleichzeitig
am Barbaraberg bei Speinshart anzukommen. Dank einer
Gewaltscharauberaktion bis in die Morgenstunden sogar mit einem
kompletten Rennmofa.
Freitag, Abnahme, Biertrinken, über den zu erwartenden Rennsieg fabulieren.


Akt 1 - Samstag

Michi, der schnelle Ersatzfahrer übernimmt den Start. Nach der ersten
Runde sind wir 15. von 95 gestarteten Teams und er macht Runde für Runde
Plätze gut. Auf geschätztem Platz 5-10 kommt er nach 1/2h in die Box
geschoben. "Ging wie die Sau, dann war sie plötzlich aus."
Kompression - O.K.
Sprit - O.K.
Zündung - Nix
Deckel ab, durchtreten, warum eiert denn die Kurbelwelle so? Zündung
raus, mitsamt dem abgebrochenen Stück Kurbelwelle. Argl.
Rekordschraubaktion, nach 1,5h ist eine neue KW drin und von
mittlerweile Platz 91 rollen wir das Feld von hinten auf.
Die Strecke ist knochentrocken und dieses Jahr ohne besondere Schikanen,
es geht mehr oder weniger Vollgas über den Acker. Immer, wenn der Staub
so arg ist, dass man schon nix mehr sieht, fährt der veranstalter mit
einel Odelwagen einmal um die Strecke und wässert. Was zur Folge hat,
dass man wieder was sieht, viele Teams Pause machen um auf der jetzt
spiegelglatten Strecke nicht dauernd hinzufliegen und es einem die
Kühlrippen mit Schlamm zusetzt.
Letzteres beschert uns eine Stunde vor Ende des ersten Tages einen
saftigen Kolbenklemmer wegen Überhitzung.
Auf Platz 35 liegend, fangen wir an zu schrauben, auf dem 42. liegend
fahre ich noch 5 Runden, dann kommen alle Mofas in den Parc ferme.


Akt 2 - Sonntag

Ich bin Startfahrer. Es hat die ganze Nacht geregnet. Und es ist 6 Uhr
früh, als ich auf die Strecke muß. Es wird hart, ganz hart. Nach 1/2h
sehe ich den Rest des Teams komplett an der Box stehen und gebe Zeichen
zum Wechsel. Länger gehts nicht zu fahren und ich will regelmässig den
Motor reinigen, um nicht noch nen Klemmer zu provozieren.
Um halb 9 liegen wir wieder auf Platz 35, als es den Ersatzfahrer am
Start/Ziel-Sprung spektakulär schmeisst. Zu unserem entsetzen bleibt er
liegen und ist erst auf den Füssen, als wir alle bei ihm ankommen.
Währen das Mofa zur Reparatur in die Box kommt und der Schäd
weiterfährt, bleibe ich bei dem verletzten und muß zusehen, wie er im
Sanka abtransportiert wird. Unser schnellster Fahrer weg. Und noch 8h zu
fahren.
Im Stundenrythmus wechseln wir uns ab und schaffen bis Nachmittag auf
der langsam abtrocknenden Piste noch 10 Plätze, als ich in einer
sauschnellen Runde plötzlich ohne Vortrieb dastehe. Motor fest. Mit
gezogener Kupplung schiebe ich den Bock in die Box.
Seitendeckel runter, Diagnose: Zündung komplett verschmort.
Mechaniker: "Sowas habe ich noch nie gesehen!"
20min später sind wir wieder auf der Strecke, haben nur 1 Platz verloren
-> Gaaas!
Es tröpfelt.
Es regnet.
Es schüttet.
Etwa 1h lang, dann regnet es nur wieder ganz normal.
Die Piste verwandelt sich in eine Rutschbahn, mit etwas Mut und völligem
Ignorieren des Traktionsverlustes lässt es sich aber einigermassen fahren.
Zwei Stunden vor Rennende schüttet es nochmal so richtig und das gibt
der Strecke den Rest. Es wird bodenlos. Stellen, die vorher im Dritten
Vollgas mit 50 gingen, sind jetzt 1. und 2. Gang Durchgrabepartien.
Das grosse Sterben beginnt.
Es wird mehr gelegen und geschoben als gefahren.
Von vorne sind Fahrer und Moppeds nicht mehr zu unterscheiden.
An jeder zweiten Box stehen verreckte Kisten oder die Fahrer haben
aufgegeben. Wir nicht, der aus dem Krankenhaus zurückgekehrte Michi gibt
uns zusätzlichen Ansporn und wir fahren mit 193 Runden Rückstand auf den
Ersten einen 25. Platz ins Ziel.


Epilog

Ein 25. Platz ist nicht ganz das, was wir uns erhofft hatten, aber in
Anbetracht der Ausfälle so schlecht auch nicht. Immerhin Grund genug, in
der Nachbarsbox bis ziemlich lang in der Nacht zu helfen, keine
Bierreste mehr im Fass zu lassen und die Kuchenvorräte auf 0 zu reduzieren.
Und Pläne für nächstes Jahr zu schmieden.


Andi,
Hai-Noon-Racing Team
Hannes Deeken
2006-08-22 07:25:32 UTC
Permalink
Andi Schmitt <***@gmx.de> wrote:
[ Das Drama von Speinshart ]
Post by Andi Schmitt
An jeder zweiten Box stehen verreckte Kisten oder die Fahrer haben
aufgegeben. Wir nicht, der aus dem Krankenhaus zurückgekehrte Michi gibt
uns zusätzlichen Ansporn und wir fahren mit 193 Runden Rückstand auf den
Ersten einen 25. Platz ins Ziel.
Herzlichen Glückwunsch dazu :o)

Ciao,
Hannes
--
Hannes Deeken aka Glenlivet '01 GSX-R 600
<***@cool.de> Hubraum entspannt - Drehzahl befreit RRR#86
Christoph Baurichter
2006-08-22 08:01:36 UTC
Permalink
Seas,
Post by Andi Schmitt
eine Geschichte, wie man 5 Tage auf einem Mofarennen verbringen kann.
http://www.mofarennen-speinshart.de
[ Das übliche Programm ]
Post by Andi Schmitt
Ein 25. Platz ist nicht ganz das, was wir uns erhofft hatten, aber in
Anbetracht der Ausfälle so schlecht auch nicht. Immerhin Grund genug, in
der Nachbarsbox bis ziemlich lang in der Nacht zu helfen, keine
Bierreste mehr im Fass zu lassen und die Kuchenvorräte auf 0 zu reduzieren.
Na immerhin das Ziel gesehn, bei den Umstaenden.
Weia, KW-Bruch in der ersten Stunde.
Hobbe war sicherlich eher Fertig, oder?
Post by Andi Schmitt
Und Pläne für nächstes Jahr zu schmieden.
Vlt. doch mal Wasserkühlung probieren?
Ich hoff nextes Jahr kann ich wieder beim feiern mithelfen.

Ciao
CeBe
--
Christoph Baurichter mailto:***@gmx.de
91er GSX600F, 84er RD500LC, 89er GSX1100R JRF#650 AfbbiA#1
Chopper sind nichts fuer Ahnungslose.
Chopper sind was fuer komplett Ahnungslose. JS in mo 5/98
hwicht
2006-08-22 08:28:16 UTC
Permalink
Post by Andi Schmitt
eine Geschichte, wie man 5 Tage auf einem Mofarennen verbringen kann.
...geil.

Da kann ich mit meinen wohltemperierten Altherrennummern nur einpacken bzw.
bewundernd Beifall klatschen. Wenn ich auch anmerken muss, dass die
unverschnörkelte, quasi erd- und schlammverbundene, holzschnittartige
Expressivität der Schreibe zwar zu den Fahrbahnbedingungen des Events, nicht
aber zur Hirnverbranntheit der Initiatoren und Teilnehmer passt. Da hätt'
ich mehr so einen surreal-irrationalen Stil erwartet, oder was
dadaistisches, oder von mir aus auch was Existenzielles, oder eine Mischung
aus allem:

"Sinnlos ist die Suche nach Sinn im Sein,
denn Sinnlosigkeit trägt das Sein im Sinn.
Wer nie mi'm Mofa Schlamm durchwühlte,
wer nie dies' Rennens Unsinn fühlte,
dem zeigt das Leben niemals nicht
sein wahres, schlammverkrust' Gesicht..."
(usw.)

Tolle Unternehmung (eines Dadaisten würdig -- random acts of nonsense, and
senseless deeds of ugliness), schöner Bericht!
--
Helmut Wicht
wicht(klammeraffe)em.uni-frankfurt.de
Guzzi, Guzzi, NSU, Varadero





. So wie Sinn-Uhren der Seins-Sinn mancher Sinnsucher sinn', sinn' sinnlose
Sielereien
Volker Bartheld
2006-08-22 11:31:27 UTC
Permalink
Hi Andi!
Post by Andi Schmitt
Die Strecke ist knochentrocken und dieses Jahr ohne besondere Schikanen,
es geht mehr oder weniger Vollgas über den Acker. Immer, wenn der Staub
so arg ist, dass man schon nix mehr sieht, fährt der veranstalter mit
einel Odelwagen einmal um die Strecke und wässert. Was zur Folge hat,
dass man wieder was sieht, viele Teams Pause machen um auf der jetzt
spiegelglatten Strecke nicht dauernd hinzufliegen und es einem die
Kühlrippen mit Schlamm zusetzt. [...]
Seitendeckel runter, Diagnose: Zündung komplett verschmort.
Mechaniker: "Sowas habe ich noch nie gesehen!"
20min später sind wir wieder auf der Strecke, haben nur 1 Platz verloren
Es tröpfelt.
Es regnet.
Es schüttet. [...]
Es wird mehr gelegen und geschoben als gefahren.
Von vorne sind Fahrer und Moppeds nicht mehr zu unterscheiden.
An jeder zweiten Box stehen verreckte Kisten oder die Fahrer haben
aufgegeben.
Hihi. Genau!

Erinnert mich an mein Stoppelackercross letztes Jahr
(http://www.team-baum.com). Ansich aeusserst geil, auf einem gemaehten
Getreidefeld mordsmaessig anzugasen (die Anlieger fahren sich von selbst
raus, es gab sogar Tables und diverse Hindernisse), jedoch wird einem
bei sintflutartigen Niederschlaegen sehr schnell klar, warum
- Fachwerkbauten nur mit Stroh und Lehm errichtet trotzdem eine famose
Stabilitaet erreichen und
- man nach ca. 3 stuendiger Hochdruckreinigung im teilzerlegten Zustand
immer noch die Fizelchen mit der Zange aus den diversen Ritzen des Krads
ziehen muss.
Erst kuerzlich habe ich bei der Umlenkhebeleiinspektion noch ein paar
Halme hinter dem Simmerring hervorgepult.

Aber man lernt das fahren unter widrigsten Bedingungen und, dass es
neben Glatteis durchaus auch sommerliche Moeglichkeiten gibt, den
Haftreibungskoeffizienten auf 0.005 zu reduzieren.

Ich bin damals mit einer saftigen Schnittwunde im linken Ringfinger
gestartet, der eigentlich schon famos verheilt schien. Anlaesslich der
brutalen Lenkerreisserei und der unzaehligen Stuerze entstand dann aber
doch ein grosser roter Fleck im Handschuh. Aber das muss wohl so sein
und ich fuehlte mich das grobmotorische Ebenbild einer russischen
Primaballerina die nach dem Spitzentanz ihre Schuehchen auch erst einmal
von Einblutungen befreien muss.

Gruesse,
Volker

__
Mail replies to/an V B A R T H E L D at G M X dot D E
Martina
2006-08-22 14:33:10 UTC
Permalink
Hallo Andi!
Ihr hattet ja eine Menge Pech! Immerhin hast Du mich aber trotzdem ein
paarmal recht fröhlich beim Überholen angegrinst, wenn Du mit einem
Affenknast und wehendem Pferdeschwanz an unserer Rennschnecke vorbei
gerauscht bist.
Die hatte sich am ersten Tag zunächst wacker geschlagen und tapfer
versucht, mit dem deutlich leistungsstärkeren Mofa der
Titelverteidigerinnen Schritt zu halten. Aber leider wurden wir schon
frühzeitig durch diverse kleinere zeitraubende Operationen
ausgebremst, die zugegebenermaßen teilweise durch ungeplanten
Bodenkontakt erforderlich geworden waren. Das dritte Damenteam
,,Zwölfeinhalb" half uns selbstlos mit Ersatzteilen und
Schweißarbeiten aus, was wir undankbarerweise damit vergolten, daß
wir es letztlich auf 85 Runden mehr brachten als sie.
Leider ging unserem Mofa langsam aber sicher die Puste aus; es wurde
immer lahmer und zahmer. Am zweiten Renntag gab es kaum noch eine
Stelle, an der wir es wenigstens kurzfristig in den dritten Gang
schafften. Unsere Zündapp versuchte noch, den Abstand zu den
,,Wildcats" durch diverse Gewichtserleichterungen (Abwurf von
Pedale, Gabelstopfen etc.) wett zu machen, doch mißlang dies, da wir
als ordentliche Hausfrauen endlose Minuten lang den Schlamm
durchwühlten, um die Utensilien wieder einzusammeln, statt ein
gewonnenes km/h-Hundertstel zum Sieg in der Damenwertung zu nutzen.
Gut zwei Stunden vor dem Ende des Rennens ging leider gar nichts mehr:
Die Kompression unseres Renners war gänzlich auf der Strecke
geblieben, und auch das Team ,,Zwölfeinhalb" hatte keine
Ersatzkompression in der Werkzeugkiste. Unsere Schrauber versuchten
noch mit allen Tricks, wenigstens für eine letzte Runde ein wenig
Leben in den müden Motor zu hauchen, aber vergeblich. Uns blieb nur
noch, zuzusehen, wie wir in der Gesamtwertung auf den 56. Platz
herunter rutschten. Andererseits war das für uns schon eine prima
Erfolg, und außerdem hatten wir ein anderes selbst gesetztes Ziel
bestens erreicht - unsere Nachbarn, das ,,Frosch-Ratztzing-Tiem"
zu schlagen. Die landeten satte 11 Plätze hinter uns, hähähä. Trotz
Wasserkühlung, Scheibenbremse, frisch überholtem Motor etc. Auf
dieses Ergebnis hatte ich mit Moogi um ein Bier gewettet. Und so freue
ich mich ganz besonders über unseren ersten Platz in der Sonderwertung
,,Tanten gegen Frösche".

Ach ja - Deine Hinweise bezüglich des Profils in dieser Group habe
ich mir zu Herzen genommen, wie Du siehst. Naja, woran ich mich nach
all den Bieren der letzten Speinshart-Nacht noch erinnern kann....

Grüße von

Martina
Reinhard Brexel
2006-08-22 18:04:03 UTC
Permalink
Post by Andi Schmitt
[...]
Mechaniker: "Sowas habe ich noch nie gesehen!"
Lass mich raten: Der Mech ist Werkstattmeister bei BMW? :-)
Post by Andi Schmitt
[...]
Andi,
Hai-Noon-Racing Team
Grüße
Reinhard, für den schönen Bericht dankend
--
GS12 "Gonzo"
Suche für TWN Triumph T4, Bj 1929:
Vergaser AMAC 6/011 oder AMAL 6/011 oder AMAL 76/011
Oliver Bartels
2006-08-22 18:40:00 UTC
Permalink
Post by Andi Schmitt
Ein 25. Platz ist nicht ganz das, was wir uns erhofft hatten, aber in
Anbetracht der Ausfälle so schlecht auch nicht.
Herzlichen Glühstrumpf, nach derartiger Schrauberei war das
nicht zu erwarten.

Na denn Hal^H^H^HKurbelwellen- und Zündkerzenbruch für das
nächste Mal (oder besser ersteres nicht ;-)

Ciao Oliver
--
Oliver Bartels + Erding, Germany + ***@bartels.de
http://www.bartels.de + Phone: +49-8122-9729-0 Fax: -10
Thorsten Behsen
2006-08-22 21:01:03 UTC
Permalink
Am Tue, 22 Aug 2006 09:13:50 +0200, belastete Andi Schmitt in
Post by Andi Schmitt
Ich bin Startfahrer. Es hat die ganze Nacht geregnet. Und es ist 6 Uhr
früh, als ich auf die Strecke muß.
Na also, hat das morgendliche Crosstraining auf der MF doch was
gebracht ;-)
Glühstrumpf, geiler Bericht.

BTW: Coleman gefunden und probiert, sehr läggar das ;-)

Beeze
--
WR400F, desert edition, theft; Monster 900ie, lady in black
Chlumpf II; big yellow taxi
rrr#61, member of EoA, drm/afm LROC#2 we do it in the dirt
It' s ok to grow up. As far as you don't get old!
Face it. You' re young <Pulp>
Richie Staffler
2006-08-23 20:04:06 UTC
Permalink
Post by Andi Schmitt
Hi,
eine Geschichte, wie man 5 Tage auf einem Mofarennen verbringen kann.
http://www.mofarennen-speinshart.de
Gewaltig!
Post by Andi Schmitt
Ein 25. Platz ist nicht ganz das, was wir uns erhofft hatten, aber in
Anbetracht der Ausfälle so schlecht auch nicht. Immerhin Grund genug, in
der Nachbarsbox bis ziemlich lang in der Nacht zu helfen, keine
Bierreste mehr im Fass zu lassen und die Kuchenvorräte auf 0 zu reduzieren.
Und Pläne für nächstes Jahr zu schmieden.
Brutal, Respekt!

Richie

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